6 Personen auf der Bühne, 6 Geschichten über das Schweigen. Da gibt es die Geschichte von der Tante, die immer schweigt. Die Mutter, die nicht will, dass jemand erfährt, dass der Vater die Familie verlassen hat. Ein Vater, der nie zurückruft und die Großmutter, die so lange von der Flucht erzählt, bis sie nicht mehr davon träumt. Familiengeschichten aus Ruanda, aus Deutschland und Korea. Kuriose, lustige, unerwartete, traurige Geschichten, unbekannte Geschichten und einige meint man sehr genau zu kennen.
Das Ishyo Arts Center aus Kigali/Ruanda und das HELIOS Theater aus Hamm arbeiten zum zweiten Mal gemeinsam an einer Theaterinszenierung für junges Publikum. Ein Ensemble bestehend aus Regie, Schauspieler*innen, Bühnenbildner*innen und Musiker*innen erarbeiteten während eines Jahres in Ruanda und in Deutschland ein Theaterstück über das Schweigen.
Viele Gespräche in der Zusammenarbeit behandelten die spezifische Geschichte von Ruanda und Deutschland und deren Auswirkung auf die Menschen bis heute. Es geht um Tabus: soziale Tabus, Familientabus, Geschichten, über die gesprochen und geschwiegen wird. Tabus „regeln“ das Zusammenleben, es gibt überlebenswichtige Tabus, wie auch Tabus, die nicht mehr als ein Druckmittel, ein Verbot, eine Diskriminierung sind.
Zu „Talking about Silence“ gibt es auch eine Filmdokumentation, in der die Beteiligten über den Arbeitsprozess sprechen, Auszüge aus der Inszenierung zu sehen sind, sowie Momentaufnahmen mit dem Publikum in Ruanda.
Zur Filmdokumentation geht es hier.
Nachgespräch nach der Vorstellung am 8.5. um 11 Uhr
Es spielen: Andersonne Uwineza, Kenny Mirasano, Claudia Shimwa, Minju Kim, Felix Breuel, Tamara Hermanns
Inszenierung: Carole Karemera, Barbara Kölling
Text: Steffen Moor und Team
Bühne: Michael Lurse
Technik: Malte Kochanek, Benjamin Kurz
Theaterpädagogik: Christina Stöcker
Gefördert durch: TURN2 Fonds der Bundeskulturstiftung
Wer darf heute überhaupt noch schweigen? Muss ich ständig Stellung beziehen, ein Statement abgeben – besonders jetzt, angesichts der aktuellen Weltlage? Was, wenn ich einfach nichts sage? Wen interessiert schon meine Meinung? Ich bin keine öffentliche Person; ich möchte einfach in Ruhe leben. Aber kann man das heutzutage überhaupt noch?
Genau zur richtigen Zeit sprechen das Helios Theater und das Ishyo Arts Center in „Talking about Silence“ über die unbequeme Stille zwischen uns – eine Stille, die wir nicht länger ignorieren dürfen. Die englischsprachige Koproduktion aus Ruanda und Deutschland zeigt, dass Theater eine Forderung ist.
Sechs Schauspieler*innen stehen auf der Bühne und erzählen biografische Alltagsgeschichten aus ihrer Kindheit, in denen Stille eine Rolle spielte. Man erkennt sich in solchen persönlichen Erlebnissen sofort wieder und erinnert sich an eigene Autofahrten, die von einer unangenehmen Stille umhüllt waren.
Das Stück deckt mit poetischen Texten und eindrücklichen Performer*innen auf, wie unterschiedlich Stille wirken kann: Stille ist Macht, Stille ist eine Waffe, Stille ist unangenehm – und sie lässt sich durchbrechen.
Es wird sichtbar, wie tief das Schweigen in uns verwurzelt ist, als Überlebensinstinkt, als Generationstrauma, das endlich aufgebrochen werden muss. Stille macht die Ambivalenz des Schweigens deutlich: Stille kann bedrohlich sein, doch sie ist auch nötig, um wirklich zuzuhören.
Dieses Stück fordert uns auf, uns zu äußern – es ist eine Warnung vor dem Schweigen. Das Stück macht Lust, zu sprechen und aktiv zu sein, in einer Zeit, wo es mehr nötig ist als je zuvor.
Alicia Ulfik
Inhaltswarnungen: Es werden emotionale Inhalte wie Fluchterfahrungen, Krieg, Armut, Verlust einer Bezugsperson und allgemein der Umgang mit traumatischen Erlebnissen thematisiert.
Sensorische Reize: Durch Trommeln werden laute Geräusche erzeugt.