„König, Kaiser will ich werden!“, verkündet Peer Gynt. Er lebt in armen Verhältnissen und wird als Außenseiter behandelt. Also träumt sich Peer in andere Welten. In seinen Lügengeschichten erlebt er wilde Abenteuer. Und tatsächlich schafft es der junge Draufgänger bald, Menschen in seinen Bann zu ziehen. Er bereist ferne Länder und gelangt zu großem Reichtum. Doch macht ihn sein selbst erschaffenes Ich wirklich glücklich?
In den sozialen Medien präsentieren wir uns der Welt und können behaupten zu sein, wer immer wir sein wollen und wie Peer Gynt der Realität entfliehen. Die Regisseurin Joanna Praml hat mit Jugendlichen aus Dresden erforscht, welche Gefahren und Möglichkeiten digitale Ichs bereithalten. Das jugendliche Ensemble folgt Peers Spuren in fantastische Parallelwelten und auf der Suche nach sich selbst.
Joanna Praml entwickelt mit ihrem Team an verschiedenen deutschsprachigen Bühnen partizipatorische Recherchearbeiten mit professionellen und nicht-professionellen Darsteller*innen. Gemeinsam mit Dorle Trachternach schafft sie Überschreibungen von klassischen Stoffen in Zusammenhang mit aktuellen Themen. PEER GYNT ist ihre dritte Arbeit an der Bürger:Bühne am Staatsschauspiel Dresden.
Nachgespräch nach der Vorstellung am 7.5. um 10 Uhr
mit
Henrike Herz
Konrad Neidhardt
Alma Maria Orlamünder
Anton Petzold
Moritz Rogner
Antonia Roschig
Joshua Samaga
Peer Samuelsson
Luisa Wiesener
Eva-Lotta Wuttke
Regie und Text: Joanna Praml
Text: Dorle Trachternach
Bühne und Kostüme: Inga Timm
Musik: Hajo Wiesemann
Dramaturgie: Christina Schlögl, Lena Iversen
Lichtdesign: Maximilian Rothe
eine Produktion der Bürger:Bühne
mit Dresdner Jugendlichen auf einem Trip in den Sozialen Medien
nach Henrik Ibsen
in einer Fassung von Joanna Praml und Dorle Trachternach
Wer eine Inszenierung der Bürger:Bühne Dresden schaut, kommt an Joanna Praml und Dorle Trachternach nicht vorbei. Hier kommt zusammen, was zusammengehört: Seit über einem Jahrzehnt werden kunstvoll und souverän klassische Vorlagen zum Anlass genommen, um sie mit Jugendlichen auf ihre Aktualität zu untersuchen. In diesem Fall begeben wir uns mit dem Ensemble auf eine Reise in die Parallelwelt. Hier können sie der Realität nämlich genauso wie Peer Gynt entfliehen.
Die jungen Spieler*innen zeigen uns, was es heute heißt, ein neues Ich auf Social Media zu kreieren. Hier können sie nämlich behaupten, was sie wollen und auch sein, wer sie wollen. In den verschiedenen Texten wird klar, wie allgegenwärtig dieses Thema ist. ,,Ein Post von mir und es herrscht Chaos in deiner Klasse!‘‘. Social Media ist aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken, es dominiert unseren Alltag. Die Selbstdarstellung im Internet rückt in den Mittelpunkt vieler jungen Menschen: Wie will ich aussehen? Was trage ich? Wie stelle ich mich dar? Was poste ich auf Instagram? Was denken dann andere Menschen von mir? Mit überzeugendem Lebensweltbezug und vermeintlich schonungsloser Ehrlichkeit wird dieses Thema, dieser Stoff, diese Auseinandersetzung von den jungen Menschen gespielt, gesungen und (wie sollte es anders sein) auch geschrien. Und auch deren Eltern spielen mit - wenn auch nur als Sprachnachricht, in denen die versuchen, ihre Kinder zurück in die Realität zu holen.
Bemerkenswert sind nicht nur die eindrucksvolle und überwältigende Ausstattung, die sich, wie die Schichten einer Zwiebel, immer weiter freilegt und professionell von der Theatermaschine in Szene gesetzt ist, sondern auch und vor allem die Spieler*innen selbst. Die ansteckende Energie des Ensembles sprüht nicht nur bei den beeindruckenden chorischen Passagen förmlich ins Publikum über, sodass man am liebsten selbst mit auf der Bühne stehen würde (Mariella) oder zumindest gänzlich von Ihr vereinnahmt wird (Thilo). Die Texte, die sich zwischen Original, biografischen Einschlägen und dynamischen Beziehungskonstellationen auf der Bühne zusammensetzen, wirken ehrlich, sie berühren und überzeugen, dass die Motive der Vorlage dann irgendwie doch noch zeitgemäß sind. Und in den 120 Minuten beweisen alle 10, dass sie sich dann doch irgendwie alle auf ihre Weise in dem größenwahnsinnigen Hauptcharakter wiederfinden können, der sich so gerne reden hört. Und auch wir geben zu: diesem Ensemble hören wir gerne zu.
Thilo Grawe und Mariella Pierza
Inhaltswarnungen: Es wird Sexismus und Pornosucht thematisiert und stellenweise ableistische und ageistische Sprache verwendet.
Hinweise zu sensorischen Reizen: Der Einsatz von einem Schlagzeug erzeugt laute Geräusche. Es wird stellenweise Nebel eingesetzt.